Am 17.10.2024 wurde an der Vagantenbühne in Berlin Georg Büchners Dramenfragment „Woyzeck“ in eine moderne Fassung übertragen. Die Inszenierung schaffte es, die Themen Unterordnung, Radikalisierung und Männlichkeit in die Gegenwart zu transportieren und damit das Publikum auf eine tief beunruhigende Reise mitzunehmen.
Woyzeck (Julian Trostorf), wird hier nicht nur als einfacher Soldat, sondern als Student dargestellt, der immer weiter in eine zerstörerische Spirale abrutscht. Er flüchtet in die Welt von Online-Games und OnlyFriends (OnlyFans), was die zunehmende Entfremdung seiner Figur von der realen Welt drastisch verdeutlicht. Der Höhepunkt seines psychischen Verfalls mündet in der kaltblütigen Ermordung dreier Frauen – ein Schockmoment, der das Publikum tief getroffen hat.
Woyzeck wird vom Professor (Thomas Georgi) zum Trinken von „Fitness-Shakes“ bezahlt, der ihn dadurch gleichsam tyrannisiert. Der dritte Protagonist ist Andres/Marie (Andreas Klopp). Er verkörpert zwei Personen. Andres ist ein Mann mit zwei Gesichtern. Einerseits ist er Woyzecks Freund, andrerseits schlüpft er in die Rolle von Marie, eine alleinerziehende Mutter, die auf OnlyFriends unterwegs ist, um Geld zu verdienen. Auf OnlyFriends verliebt sich Woyzeck in Marie, was Andres zu spät merkt. Als Woyzeck erkennt, dass er belogen worden ist, tötet er drei Frauen, wovon das Theaterpublikum durch eine Nachrichtenmeldung (Ansage) erfährt.
Was das Stück besonders auszeichnete, war die sexualisierte Darstellung von Woyzeck und Marie. In einer Szene wurde angedeutet, wie Woyzeck masturbiert (Hand in der Hose), in einer anderen tauchen Maries Brüste auf einem riesigen Bildschirm bei OnlyFriends auf. Diese provokanten Momente zogen sich durch die Inszenierung und machten sie so intensiv. Vielleicht regten sie gerade deswegen auch zum Nachdenken über den Einfluss sozialer Medien auf den Menschen an.
Die Bühnenausstattung war schlicht, aber passend. Das Bühnenbild war angenehm übersichtlich. Die Übergänge zwischen den Szenen wurden durch gekonnt eingesetzte Musik fließend gestaltet. Technisch war das Stück tadellos umgesetzt: Keine störenden Schatten auf den Gesichtern, einwandfreier Ton. Die Vorstellung war restlos ausverkauft und tosender Applaus am Ende zeugte von der Begeisterung des Publikums.